Im Rahmen der Digital Workshop Series "Digital Dialogues 數字對話" diskutieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedene Teilaspekte und Fragestellungen des Verbundprojekts.
Lebenswelt und Philosophie in Übersetzung: Zhuangzi und Laozi (Lifeworld and Philosophy in Translation: Zhuangzi and Laozi)
17. November 2021, 13.15 – 14.45 Uhr CET via Webex
Die Teilnehmer des dritten Digital Dialogues widmen sich zwei antiken Klassikern des chinesischen Daoismus in deutscher Übersetzung. Sowohl das Buch Laozi wie auch das Buch Zhuangzi nehmen auf unterschiedliche Weise eine kritische Haltung gegenüber der systematischen Beherrschbarkeit und Konventionalisierbarkeit von Welt-Konstituenzien ein.
Natalie Chamat analysiert Modi und Gelingensbedingungen von Welt- und Selbstverhältnissen in Philosophie, Kunst und Literatur. Das Buch Zhuangzi wird in der deutschsprachigen Rezeption sowohl als philosophischer Text wie auch als ein herausragendes Werk der Weltliteratur gelesen. Welt taucht hier im Titel des vierten der Inneren Kapitel auf als „Menschenwelt“ (人間世 rén jiān shì); bekannt — und berüchtigt — ist der Text jedoch für seine Überlegungen zur „Pflege des Lebens“ (養生主 yǎng shēng zhǔ). Und so sind es im vierten Kapitel auch ungewöhnliche Gestalten aus der Peripherie der gesellschaftlichen Ordnung, die das Lebenswerte ihrer Unverwertbarkeit gegen die Weltverbesserungsambitionen des kultivierten Ratgebers ausspielen — oder ihm mit auf den Weg geben. Bevor Richard Wilhelm 1912 die erste, annähernd vollständige sinologische Übersetzung publizierte, hatte Martin Buber bereits 1910 in Anlehnung an die englischen Versionen von Herbert Giles (1889) und James Legge (1891) seine Auswahl überwiegend narrativer Passagen des Zhuangzi vorgelegt. Erst Ende der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts folgten Neuübersetzungen ins Deutsche. Die Person des Zhuang Zhou, der laut Sima Qian als Lackgartenaufseher in der Zeit der Streitenden Reiche gelebt haben soll, ist historisch nicht gesichert und wir wissen wenig über die verschiedenen zirkulierenden Versionen des Buches, bevor es von Guo Xiang (253-312) in die bis heute bekannte Form gebracht und kommentiert wurde. Für zuverlässige Informationen über den Zeichengebrauch einer bestimmten Zeit, eines bestimmten Milieus oder einer bestimmten Tradition des chinesischen Denkens eignet es sich daher nur eingeschränkt. Beobachten lassen sich hier eher Dynamiken der Synthese, des Synkretismus, der Einverleibung oder der Harmonisierung im chinesischen Philosophieren. Was das Buch Zhuangzi aber darüber hinaus bereithält, ist die Ermöglichung einer ästhetisch vermittelten Erfahrung von Zeit in der Lektüre.
Fabian Heubel arbeitet an einem philosophischen Kommentar ausgewählter Kapitel des Buches Laozi ins Deutsche. Er stellt sich die Frage, wie auf dem Wege der Übersetzung „Begriffe“ (gàiniàn 概念) geprägt werden, die einem deutschen Lesepublikum Zugang zur Welt daoistischen Denkens eröffnen. Für seine Forschungsperspektive ist dabei die translinguale Dynamik zwischen der chinesischen und der deutschen Sprache von herausragender Bedeutung, die immer auch ein Auge darauf hat, wie deutsche Begriffe ins Chinesische übersetzt worden sind und werden. Für seine Übersetzung und Deutung des Laozi ist zudem die Vielfalt innerchinesischer Perspektiven ein wichtiges Korrektiv zur Geschichte der Übersetzungen ins Deutsche und anderer westlicher Sprachen. Der Reichtum der chinesischen Kommentartradition eröffnet für ihn unverzichtbare Einblicke in tiefgreifende Wandlungen, die das Verständnis des Laozi im Besonderen und das daoistische Weltbild im Allgemeinen durchlaufen hat. Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Übersetzungen und Kommentaren bereitet schließlich die Diskussion transkultureller Korrespondenzen vor, bei denen es darum geht, eine Vielfalt von Bezügen zwischen chinesischen und europäischen Texten und Kontexten zu eröffnen, die das Buch Laozi in der zeitlichen und räumlichen Dynamik von Altem und Neuem sowie Östlichem und Westlichem verorten. So versucht er auf kritische Weise eine neuartige Kommunikation zwischen klassischer chinesischer und zeitgenössischer Philosophie anzuregen.
Nach der Präsentation von Beispielen aus den Projekten wird Frau Dr. Wang Ge die anschließende Diskussion der beiden Ansätze sowie die Fragerunde moderieren.
Sprecherin und Sprecher:
Natalie Chamat ist Literaturwissenschaftlerin und promovierte ausgehend von Walter Benjamins Baudelaire-Übersetzungen zur Sprach- und Geschichtsphilosophie von Übersetzungstheorien. Sie forscht zu interkulturellen Modi und Gelingensbedingungen von Welt- und Selbstverhältnissen in Philosophie, Kunst und Literatur.
Prof. Dr. Fabian Heubel ist Philosoph und Sinologe, er ist Research Fellow am Institute of Chinese Literature and Philosophy der Academia Sinica in Taipei und arbeitet an einem philosophischen Kommentar zum Buch Laozi.
Moderation:
Dr. Wang Ge ist Übersetzerin, Philosophin und Germanistin. Nach einem Research Fellowship des Wissenschaftskolleg zu Berlin zu Moral Agencies ist sie zur Zeit Mitarbeiterin des Bildungsnetzwerks China.
Vorsitz:
Vorgestellt werden die Teilnehmer von PD Dr. Hans Feger, der ihnen im Rahmen des Deutsch-Chinesischen Alumninetzwerks (DCHAN) Das Gute Leben während der Pandemie ermöglicht hat, am Philosophischen Institut der FU Berlin Seminare zur klassischen chinesischen Philosophie (Buddhismus und Daoismus) in Übersetzung anzubieten.
Gastgeber:
Gastgeber des Digital Dialogues ist Prof. Dr. Sebastian Conrad, PI des Projekts "Eine translinguale Begriffsgeschichte chinesischer Welten“, das die Entwicklung und das Ineinandergreifen unterschiedlicher Weltbegriffe und Begriffe von globaler Reichweite in China aus historisch-translingualer Perspektive untersucht.
Zugang:
Die Teilnahme an dieser Veranstaltung ist offen für alle, die sich vor der Veranstaltung bei Frau Susanne Ebermann unter susanne.ebermann@fu-berlin.de anmelden. Angemeldete Teilnehmende erhalten den Webex-Link zur Teilnahme an der Veranstaltung.