Jun.-Prof. Dr. Emily Mae Graf
Eberhard Karls Universität Tübingen
Bis März 2023 wiss. Mitarbeiterin im Worldmaking-Projekt, seit April 2023 Juniorprofessorin für Chinesische Sprache, Literatur und Kultur an der Universität Tübingen und assoziiertes Mitglied im Verbund
Kurzbiographie
Emily Graf ist Juniorprofessorin für Chinesische Sprache, Literatur und Kultur an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Zuvor war sie Postdoc und Dozentin am Friedrich-Meinecke-Institut im Arbeitsbereich Globalgeschichte (2021-23) und am Institut für Chinastudien (2018-2020) an der Freien Universität Berlin. Als Postdoc war sie Teil des Forschungsprojekts "A Translingual Conceptual History of Chinese Worlds" am Joint Center for Advanced Studies "Worldmaking from a Global Perspective: A Dialogue with China". Sie schloss ihre Promotion in Sinologie und Transkulturelle Studien 2018 an der Universität Heidelberg ab. In ihrer Forschung untersuchte sie die Museen und Erinnerungsorte der Schriftsteller Lu Xun in der VR China, Bertolt Brecht in der DDR und Lai He in Taiwan. Ein PhD Fellowship an der Renmin Universität in Peking (2013-14) ermöglichte ihr, Feldforschung an Museen in der VR China und auch in Taiwan zu betreiben. Ihre Forschungsinteressen umfassen chinesische Literatur im globalen Kontext sowie Kulturpolitik in der VR China und Taiwan. In ihrer jüngsten Forschung untersucht sie die Begriffs- und Kulturgeschichte der „Barfußärzte“ und ihre Rolle in der Weltgesundheit.
Forschungsprojekt
Barfußärzte und ihre Welt(en): Welterzeugung und Global Health in der VR ChinaDieses Projekt untersucht Veränderungen im Konzept der Weltgesundheit in der VR China. Mein zeitlicher Focus liegt nach dem Beginn der Kulturrevolution Mitte der 1960er Jahre bis zur Reform- und Öffnungsperiode in den frühen 1980er Jahren. In dieser Zeit wurde in China ein neuer Begriff geprägt: der so genannte Barfußarzt bzw. die so genannte die Barfußärztin (chijiao yisheng 赤腳醫生), ein Begriff der zwischen 1968 und 1985 in Verwendung kam und danach aus dem öffentlichen Diskurs über Gesundheit entfernt wurde. Barfußärzte waren lokale GesundheitsarbeiterInnen mit einer nur sehr grundlegenden medizinischen Ausbildung, die in primärer Gesundheitsversorgung und Hygiene tätig waren. Wie bereits der Begriff Hygiene (weisheng 衛生) (Hu 2017) änderte der Begriff des „Barfußarztes“ grundlegend, was in China als medizinisches Wissen galt und Barfußärzte vereinten in der Theorie eine Kombination aus „chinesischen“ und „westlichen“ medizinischen Praktiken (Fang 2012). Ihre Funktion in der Verbesserung der Hygiene- und Gesundheitsversorgung auf dem Land änderte nicht nur, was Gesundheit in China bedeutete, sondern formte auch die globale Gesundheitspolitik, eine Entwicklung, die in der Declaration on Primary Health Care der WHO im Jahre 1978 ihren Höhepunkt fand. Nicht nur der Begriff, auch das Bild des Barfußarztes diente zur Erzeugung eines Konzepts von Weltgesundheit, das sich an Propagandapostern nachzeichnen lässt, die die Solidarität der „Dritten Welt“ mit Hilfe chinesischer Barfußärzte in Afrika bildlich darstellen. Chinas Entwicklungsarbeit in der Medizin begann in Afrika zwar bereits in 1963 in Algerien (Huang 2014), doch bestanden die entsandten medizinischen Teams nicht vorranging aus Barfußärzten, wie einschlägige Darstellungen suggerieren. Das Konzept des Barfußarztes verbreitete sich jedoch um die Welt (Zhou 2020, 257–302). Die Forschungsfrage, die dieses Projekt leitet, ist daher: Wie prägten der Begriff, das Bild, die kollektive Erinnerung und das Konzept des Barfußarztes sowohl das chinesische als auch das globale Verständnis von Weltgesundheit?
Fang, Xiaoping. 2012. Barefoot Doctors and Western Medicine in China. Rochester, NY: University of Rochester Press.
Hu, Bo. 2017. “Travel and Transformation: A Diachronic Study of the Changing Concept of Weisheng in Chinese Journals, 1880–1930.” Contributions to the History of Concepts 12 (1): 1–21.
Huang, Yanzhong. 2014. “Domestic Politics and China's Health Aid to Africa.” China: An International Journal 12 (3): 176–98.